Sabine Bätzing MdB (SPD) und die angeblich gescheiterte Vereinbarung

Die Vereinbarung

Vertreten durch das Ministerium für Gesundheit (BMGS), erklärte sich die Bundesregierung im Rahmen einer sogenannten freiwilligen Zielvereinbarung mit dem DEHOGA bereit, im Gegenzug auf eine Initiative zur Einführung eines gesetzlichen Rauchverbotes im Gastgewerbe zu verzichten (Seite 2, Präambel: 2. Absatz), wenn die Speise-Gastronomie in drei Stufen steigende Nichtraucher-Sitzplätze anbietet.

Ab dem 1. März 2006 sollten 30% aller Speisebetriebe 30% ihres Platzangebotes für Nichtraucher bereithalten.

Der zeitliche Ablauf

Während das Ziel dieser "ersten Stufe" (30 % NR-Angebote) galt, veröffentlichte die Bundesregierung am 12. Dezember 2006 eine Pressemitteilung mit dem Titel: "Bundesregierung ebnet Weg für mehr Nichtraucherschutz".
Aus dem Inhalt dieser Pressemitteilung:

Zuvor beschloss das Kabinett Eckpunkte für mit den Ländern abgestimmte Initiativen.
Merkel äußerte sich zufrieden darüber, dass die Länder mitgeteilt hätten, sich in einer Arbeitsgruppe umfassend mit dem Thema Nichtraucherschutz auseinanderzusetzen. Es würden auch Vertreterinnen und Vertreter des Bundes eingeladen, in der Arbeitsgruppe mitzuarbeiten. ‘Das wird der Bund natürlich gern tun.’
[…]
Das Eckpunktepapier enthält auch den Appell an die Länder, in den Bereichen, für die sie Verantwortung tragen, wirksame Maßnahmen gegen das Passivrauchen zu treffen. Das gilt konkret für die landeseigenen beziehungsweise kommunalen Einrichtungen [...], aber auch für die Gaststätten.

Pressemitteilung der Bundesregierung ([Hervorhebung von mir] 13. Dezember 2006)

Nach dieser Kabinettsentscheidung vom 12. Dezember 2006 - also dem (1.) Vertragsbruch der Bundesregierung - im Januar und Februar 2007 wurde dann im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit eine Studie erstellt, die in ihrer Zusammenfassung feststellte, dass das Ziel der 2. Stufe der Vereinbarung, welches (zukünftig) ab dem 1. März 2007 zu gelten hätte, angeblich nicht eingehalten "wurde". (Was sagt man dazu?)

Bätzings Auftritt

Am 26. Februar 2007 - also noch während das Ziel der 1. Stufe Gültigkeit hatte (!) - stellte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Sabine Bätzing MdB, (SPD), diesen Bericht vom 19. Februar 2007 der Öffentlichkeit vor und erklärte: Der Weg der Freiwilligkeit in der Gastronomie ist gescheitert und weiter:

Das Ergebnis unserer repräsentativen Untersuchung zeigt aber deutlich, dass der Nichtraucherschutz ohne gesetzliche Regelungen nicht zu erreichen ist. Von daher appelliere ich an die Ministerpräsidenten, das Rauchverbot in Gaststätten in allen Ländern lückenlos und ohne Sonderregelungen einzuführen.

Sabine Bätzing MdB (SPD), Drogenbeauftragte der Bundesregierung (26. Februar 2007, viele Medienberichte)

Frau Sabine Bätzings "Erfolg" ging sogar so weit, dass das BVerfG auf den "Trick" hereinfiel und in seiner Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit radikaler Rauchverbote in der Gastronomie falsche Zahlen zugrundelegte:

... denn diesen Ansatz durften die Landesgesetzgeber jedenfalls als gescheitert betrachten. Die Vorgaben für die Einrichtung von Nichtraucherbereichen in Speisegaststätten, die zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) am 1. März 2005 vereinbart wurden, sind bereits auf der ersten der drei vorgesehenen Stufen deutlich verfehlt worden. Nachdem die durch das Ministerium veranlasste Überprüfung ergeben hatte, dass Anfang 2007 nicht die vereinbarten 30 %, sondern nur 15,5 % der betroffenen Gaststätten nur 10,9 % und nicht wie vereinbart 30 % der Plätze in der gebotenen Weise für Nichtraucher bereithielten, gab es keinen Grund, mit einer gesetzlichen Regelung weiter zuzuwarten.

[Hervorhebung von mir] Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 30. Juli 2008, Absatz 112)

Diese Aussage der Bundesverfassungsrichter war schlichtwegs falsch!

Die Verfassungsrichter hatten nicht verstanden, dass die von der Drogenbeauftragten Sabine Bätzing MdB vorgelegten Zahlen ein auf die Zukunft bezogener "Rechentrick" waren!

Die vorgelegten Zahlen sich also darauf bezogen, wieviel Gastronomiebetriebe bereits die verschärften Bedingungen des Ziels der zweiten Stufe ab März 2007 einhielten!

Denn kein Einziger (!) - also 0 % - der Speisegastronomen hätte diese verschärften Bedingungen der 2. Stufe bereits vorab im Januar und Februar 2007 einhalten müssen!

Wie wurde das gemacht?

Nun, die Zusammenfassung der am 26. Februar 2007 "vorgestellten" Studie beginnt mit folgenden beiden Absätzen:

Die von der Bundesregierung und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) geschlossene Vereinbarung zum Nichtraucherschutz fordert bis zum Stichtag 01.03.2007, dass mindestens 60% der Speisegaststätten ab einer Größe von 40 Sitzplätzen und 75qm Gastfläche ihren Gästen mindestens 40% der Sitzmöglichkeiten als reine Nichtraucherplätze anbieten.

Zur Überprüfung der Umsetzung dieser Vereinbarung wurde im Januar und Februar 2007 eine entsprechende repräsentative Marktbeobachtung durchgeführt. ...

IFAV – Institut für angewandte Verbraucherforschung e.V. ([Hervorhebung von mir!] 19. Februar 2007, Studie "Nichtraucherschutz in Gaststätten", Seite 3, 1. & 2. Absatz)

Dieser Zukunftsbezug - genauer: "kleine" Datumstrick, der ohne Hervorhebung sehr leicht überlesen werden kann - ist für die gesamte (!) Zusammenfassung der vorgestellten Studie von entscheidender Bedeutung. - Weiter geht's:

Die Bestandsaufnahme zeigt, dass in der überwiegenden Mehrzahl der aufgesuchten Gastronomiebetriebe die Zielvereinbarung bislang nicht umgesetzt wurde. So können in 66,8% aller Betriebe Gäste nach wie vor uneingeschränkt zur Zigarette greifen.
[Anmerkung: In diesem Zusammenhang eine unzulässige Wertung, da 30 % Nichtrauchergastronomie vereinbart waren.]

In den verbleibenden 33,2% aller untersuchten Gastronomiebetriebe wurden sehr individuelle Nichtraucherregelungen ermittelt, die teilweise keinesfalls mit der Intention der Zielvereinbarung im Einklang stehen.

Insgesamt erfüllen lediglich 15,5% aller aufgesuchten Betriebe bislang die Vorgaben hinsichtlich des Platzangebotes und nur 10,9% hinsichtlich des Platzangebotes und der deutlichen Kennzeichnung.

[Hervorhebung durch mich] IFAV – Institut für angewandte Verbraucherforschung e.V. (19. Februar 2007, ebda., Seite 3, 4. bis 6.[letzter] Absatz)

Insbesondere die Täuschungen mit den Zahlen des letzten Absatzes der Zusammenfassung - welche eine signifikante Zielverfehlung suggerieren sollten - waren unzulässig.

Die beanstandeten "Vorgaben" des letzen Absatzes bezogen sich - recht ordentlich verschleiert (durch den Zukunftsbezug des 1. Absatzes der Zusammenfassung) - auf das Ziel der noch nicht einzuhaltenden 2. Stufe!

Auch nach dieser Zusammenfassung ist diese auf 26 Seiten vorgestellte Studie voller Wertungen und Zahlenbezüge hinsichtlich einer Zukunft, die noch gar nicht einzuhalten war.

Dass mit "dieser Art" der Studienvorstellung nicht nur das BVerfG, sondern im Vorfeld der Rauchverbotsgesetzgebungen auch die deutsche Öffentlichkeit und die Abgeordneten der Landtage getäuscht wurden, versteht sich von selbst.

Die Details

Tatsächlich hatten 33,2% der Speisegastronomiebetriebe Nichtraucherplätze angeboten!
Was diese Zahl betrifft und um mal kurz in der zahlenjonglierenden Sprache der Studienvorstellung zu bleiben, ist festzustellen:

... dass nicht nur 30% der Betriebe in der Gastronomie Nichtraucherplätze anboten, sondern sogar über 10% mehr!

Dieses Übersoll an Gaststätten war zudem - weit über das geforderte Platzangebot hinaus (30% für Nichtraucher) - komplett rauchfrei!

Raucherwirt (19. Februar 2007, Studie - u. a.: Tabelle Seite 9 unten)

Sachlich korrekt berechnet! Und "genauso" wie an vielen Stellen der Studie sowie bei der Vorstellung durch Sabine Bätzing MdB (SPD) dargestellt.

Können Sie sich vorstellen, dass solch eine "Studienvorstellung" in der Öffentlichkeit und bei den Abgeordneten der Landtage eine andere Wirkung gehabt hätte? - Nun aber weiter:

Auf Seite 10 der Studie können wir nachlesen, dass von den 33,2 % Gaststätten mit Nichtraucherbereichen knapp zwei Drittel (61,9 %) separate Räumlichkeiten für Nichtraucher anboten.
Weitere 24 % boten Nichtraucherbereiche mit einer klaren Trennung zum Raucherbereich an.

Lediglich bei 14 % von (!) diesen 33,2 % - also 14% von "33 %" = ~ 4,x % Gaststätten - beanstandeten die Studienersteller einen getrennte[n Nichtraucher-] Bereich innerhalb des Gastraums ohne klare Trennung.

In Hinblick auf die Tatsache, dass über 10 % (entspricht 3,2 % der Gesamtsumme) mehr Gaststätten Nichtraucherbereiche anboten als gefordert, kann dieser Vorwurf durchaus als marginal bezeichnet werden.
Also mitnichten so gravierend, wie Frau Bätzing mit "ihren" Zahlen suggerierte.

Folgt man den klaren Vorgaben der Zielvereinbarung (40% Nichtraucherplätze in 60% aller Betriebe bis zum 01.03.2007), dann belegen die ermittelten Daten, dass die Zielvereinbarung bislang auf dem Gastronomiemarkt nicht umgesetzt und dass in der überwiegenden Mehrzahl der aufgesuchten Gastronomiebetriebe die Beschlüsse der Vereinbarung bislang nicht erfüllt wurden.

IFAV – Institut für angewandte Verbraucherforschung e.V. (19. Februar 2007, Studie "Nichtraucherschutz in Gaststätten", Seite 10)

Diese Suggestivaussage war zwar völlig irrelevant zum Zeitpunkt der Studienerstellung im Januar und Februar 2007: Es waren weder 40% Nichtraucherplätze gefordert, noch 60% der teilnehmenden Speisegastronomiebetriebe.
Aber hier auf Seite 10 - in den Tiefen der Studienvorstellung - erfolgte dann dennoch die "Aufklärung" über die im letzten Absatz der von Frau Sabine Bätzing MdB (SPD) vorgelegten Zahlen der Studienzusammenfassung. Also die Aufklärung über jenen Zahlentrick, der auch dem BVerfG - wie oben erwähnt - "zum Verhängnis" geworden ist:

Lediglich 15,5% aller aufgesuchten Betriebe erfüllen bislang die Vorgaben zum 01.03.2007 hinsichtlich des Platzangebotes und 10,9% hinsichtlich des Platzangebotes und der deutlichen Kennzeichnung.

IFAV – Institut für angewandte Verbraucherforschung e.V. ([Hervorhebung durch mich] 19. Februar 2007, Studie "Nichtraucherschutz in Gaststätten", Seite 10)

Darf man Frau Sabine Bätzing MdB (SPD) vorwerfen, dass sie die Öffentlichkeit, die Landesgesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht bzw. die Landesverfassungsgerichte durch die Art und Weise der öffentlichkeitswirksamen Studienvorstellung in dieser Frage getäuscht hat???

-.-

In Bezug auf die Vorwürfe einer unzureichenden Kennzeichnung sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die Studie in diesem Bereich weitere Schwächen aufweist, indem diese selbst erklärte: Hinweise darauf erfolgten mündlich und zum Teil auf Anfrage (Seite 9).

Diese Beanstandungen - hinsichtlich der Kennzeichnung der angebotenen Nichtraucherbereiche - nennen die Studienersteller eingangs sehr individuelle Nichtraucherregelungen. Dies ist jedoch eine andere "Dimension".
Es wäre zu berücksichtigen gewesen, dass die zu diesem Zeitpunkt geforderten 30% der Gastronomiebetriebe mit Nichtraucherbereichen "übererfüllt" wurden!

Die Gesamtschau auf die Studie ergibt jedenfalls, dass mittels der Vorstellung dieser Studie der Öffentlichkeit gegenüber der Eindruck einer signifikanten Nichteinhaltung erweckt werden sollte, der tatsächlich so nicht vorhanden war.

Schlussfolgerung

Selbst wenn sich kein Gastwirt - also 0% - an die zukünftig verschärfte Vereinbarung (40% des Platzangebotes für Nichtraucher) gehalten hätte, wäre dies im Januar und Februar 2007 nicht zu beanstanden gewesen!

Es bleiben zwar marginale Vorwürfe gegenüber der Speisegastronomie bestehen, die anhand des veröffentlichten Studienergebnisses nicht restlos aufgeklärt werden können. (Es wäre reizvoll, diese Studie mal unter die Lupe zu nehmen und sich die "Auswertung" der Fragebögen genauer anzuschauen.)

Die Glaubwürdigkeit der Studie leidet jedoch selbst unter der Art und Weise der Aufarbeitung ihrer Ergebnisse. Dies vermittelt mir den Eindruck, dass "gewisse Ergebnisse beabsichtigt waren".
Gerade in Hinblick auf die eingangs erwähnte Pressemitteilung der Bundesregierung.
Denn die Bundesregierung hatte im Dezember 2006 selbst zuvor gegen ihre vertragliche Verpfichtung verstoßen, auf eine Initiative zur Einführung von gesetzlichen Rauchverboten zu verzichten - solange die freiwillige Vereinbarung mit dem DEHOGA läuft.

Ob die bereits angebotenen Nichtrauchersitzplätze überhaupt von Nichtrauchern angenommen wurden, interessierte nicht. (Denn was nutzt ein nachfragefernes Angebot an Nichtrauchergastronomie?)

Das "hektische Theater" durch die Studienerstellung im Januar und Februar 2007, also kurz vor dem Inkrafttreten des Ziels der 2. Stufe war zudem irritierend. Denn ab 1. März 2007 wären noch weitere Nichtrauchersitzplätze im Rahmen der freiwilligen Vereinbarung angebotenen worden - auf die sich viele Speisegastronomiebetriebe bereits eingestellt hatten! Und wofür sich der DEHOGA intensiv einsetzte.

Die Vorstellung von Frau Sabine Bätzing MdB (SPD) vom 26. Februar 2007 i. V. m. der vorgelegten Studie - und darum ging's hier - hatte jedenfalls die "gewünschte Wirkung" bei den Abgeordneten der Landtage und wie konkret dargelegt auch beim Bundesverfassungsgericht.

Anzumerken bleibt noch, dass die getränkegeprägte Gastronomie nie Bestandteil dieser DEHOGA-Vereinbarung war! - Unabhängig von der Größe der Kneipe!
Die Folgen dieses "Scheiterns" jedoch - und das ist mein Ernst - mit viel individuellem Leid auszubaden hat.

Damit meine ich den zugrundeliegenden staatlichen Eingriff in das Freizeitverhalten erwachsener Bürger, die nun teilweise wie Menschen 2. Klasse behandelt werden (müssen).
Gegen den Willen derjenigen Wirte, die es ihren rauchenden Gästen angenehm und gemütlich machen woll(t)en.

Die Zerstörung von Existenzen in der Kneipenszene begann mit dieser "Studienvorstellung" und kann in vielen Betrieben durch gesundheitsbewusste Nichtraucher kaum aufgefangen werden.
Das "zweite Wohnzimmer" Kneipe wurde einem Teil der Bevölkerung vergällt. Ein vielfach nachgefragtes und gewünschtes Freizeitverhalten verboten!

Diese anmaßende staatliche "Gesundheitserziehung" (durch die Landesgesetzgeber) wurde zudem mit einer imho "verlogenen Schutz-Konstruktion" eingeführt.
An Orten, die im Rahmen der Vertragsfreiheit von einem Wirt lediglich angeboten und von seinen Gästen - in Kenntnis der vielseitigen Rahmenbedingungen - freiwillig besucht werden (Stichwort: Kennzeichnungspflicht).

Raucherkneipen und auch -nebenräume muss kein Passivrauchvermeider aufsuchen. Ein normiertes Verbot solcher Dienstleistungen ist - trotz bisher anderslautender Entscheidungen - verfassungswidrig!
[Fortsetzung: Bundesverfassungsgericht]

Veröffentlicht: 21.6.2010/10.2.2012 - Letztes Update: 16. September 2023

https://www.treff.de/baetzings-show.html

Durchgehend lecker essen:

Spielautomaten in der Pilsbar im EG:

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