Kommentar zur "Shisha-Café"-Entscheidung des BayVerfGH
Dass die
Vertragsfreiheit zwischen Wirten und Rauchern – ein Kundenangebot
anzudienen und von Gästen anzunehmen – so radikal versagt werden kann,
erschüttert mein Rechtsempfinden doch sehr, so wie es aus der gestern per
Pressemitteilung veröffentlichten Entscheidung vom 24. September 2010
(Vf. 12-VII-10 zu „Shisha-Cafés“) zu entnehmen war.
Sollte die Verfassungsrechtsprechung bei ihrer bisherigen Richtung bleiben, wird es nunmehr normiert kein „gesellschaftliches Leben“ inmitten von Rauchern unter Berücksichtigung von deren Bedürfnissen geben (obwohl dies Wirte anbieten wollen).
Es sei erneut darauf hingewiesen, dass es zu dem Erfordernis „wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter“ (siehe oben verlinkte Pressemitteilung Ziff. 2a) radikale Rauchverbote einführen zu können, erst gar nicht kommt.
Es geht eine bewusste Entscheidung des Bürgers voraus, sich diesen Gefahren auszusetzen, indem er die gekennzeichnete Raucherkneipe bzw. den Raucherbereich betritt.
Ums plastisch auszudrücken: So wie ein Raucher zu
einer Schachtel Zigaretten greift, muss ein Gast ein gekennzeichnetes
Raucherlokal oder einen Raucherbereich betreten.
Damit aber die Verfassungsmäßigkeit dennoch gerechtfertigt "scheint", führte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein, dass es Nichtrauchern ermöglicht sein solle „uneingeschränkt“ am "gesellschaftlichen Leben" teilnehmen zu dürfen.
Doch hierbei handelt es sich um eine einseitige
Begünstigung der Handlungsfreiheit von Nichtrauchern in ihrer radikalsten
Form. Erst dieses Zugeständnis führt dazu, dass keine Raucherkneipen und
–nebenräume mehr angeboten werden dürfen.
Die bisherige Verfassungsrechtsprechung lässt vermissen, inwiefern die Existenz von raucherorientierter Gastronomie bereits diese massive Überhöhung der Handlungsfreiheit der Nichtraucher erforderlich macht. Dass Raucherkneipen oder Rauchernebenräume (welche gezielt an den Wünschen und Bedürfnissen von Rauchern ausgerichtet sind) bereits geeignet sein können, Nichtraucher vom „gesellschaftlichen Leben“ auszuschließen, ist insbesondere unter Würdigung des grundlegenden Wandels der Lebensverhältnisse bzgl. der dominant angebotenen Nichtrauchergastronomie wenig nachvollziehbar.
Dabei ist die Kontrollierbarkeit, ob ein Nichtraucher auch zu einem Raucherlokal Zutritt erhält, völlig irrelevant (zu Ziffer 2a der o. g. Pressemitteilung). Denn auch ein Nichtraucher kann das Vertragsangebot (bzgl. der angebotenen Rahmenbedingungen) annehmen.
Es fehlt völlig an überprüfbaren Fakten darüber,
dass Nichtrauchern kein nachfragekonformes Angebot im Bereich der
Gastronomie bereitgestellt würde. Eine Kennzeichnungspflicht,
welche auch leicht (bußgeldbewährt) zu kontrollieren wäre, brächte
zusätzliche Transparenz, ob eine solch uneingeschränkte Erhöhung der
Handlungsfreiheit von Nichtrauchern zwingend erforderlich ist, um u. a. den
„schwerwiegenden Eingriff in die freie Berufsausübung der Gastwirte“
(BVerfG,
1 BvR 3262/07 vom 30.7.2008, Absatz-Nr. 118) zu rechtfertigen.
Das Verbot, eine Raucherkneipe bzw. einen
Raucherbereich anzubieten, stellt aus meiner Sicht eine eklatante
Verletzung der Vertragsfreiheit unterschiedlichster Individuen dar, bei
denen es für Dritte keine Gesundheitsgefahren gibt. Rauchen ist und bleibt
erlaubte Handlung.
Die Kommunen wären im Rahmen der Subsidiarität
und insbesondere durch ihre besondere Nähe zu den örtlichen Gegebenheiten
und ihrer Bevölkerung geradezu prädestiniert, entsprechende Auflagen – unter
Berücksichtigung der Ansprüche von Nichtrauchern – vorgeben zu können.
Beispielsweise hinsichtlich monopolartiger Betriebskonstellationen, um
Nichtrauchern Zugang zum „gesellschaftlichem Leben“ zu gewährleisten.
Die Verhältnismäßigkeit der Normierung des GSG im Bereich der Gastronomie ist nicht gewahrt.
Der BayVerfGH erspart sich mit der
„Feststellung" der „offensichtlichen Erfolglosigkeit“ bekanntlich
die Folgenabwägung der einstweiligen Anordnung, über die hier zu entscheiden
war.